Bochum auf dem Weg zum Radentscheid

Vor etwa 2 Jahren haben Mitglieder der Naturfreunde und anderer fahrradfreundlicher Organisationen zusammen mit vielen Einzelpersonen das Bündnis „Radwende Bochum“ gegründet, um endlich dafür zu sorgen, dass auch in Bochum eine Verkehrswende stattfindet. Seitdem ist viel passiert, ein Forderungskatalog wurde erarbeitet, es gab große Raddemos, Diskussionsveranstaltungen, Gespräche mit Parteien und Stadtverwaltung etc.

Bochum gehört zu den Städten mit der höchsten Autozahl pro Kopf, die ganze Stadt ist mit ihren großen Radialstraßen zum Innenstadtring auf Autos ausgerichtet, es war daher klar, dass eine Radwende in Bochum nicht einfach werden würde. Tatsächlich gab und gibt es trotz aller Lippenbekenntnisse der Stadt bisher nur geringe sichtbare Fortschritte, die Hattinger Straße wird gerade vom Schauspielhaus aus ein Stück weit umgebaut, einige Fahrradstraßen wurden ausgewiesen, von einem durchgängige Radwegenetz auf den großen Radialstraßen – eine der Forderungen der Radwende – ist Bochum aber noch weit entfernt. Es fehlt der große Wurf für eine grundlegende Neuausrichtung des Straßenverkehrs in unserer Stadt.

Angesichts dieser Situation haben sich am 23.09.2020 auf Einladung der Radwende etwa 70 Menschen (mehr war aufgrund der Corona-Bestimmungen nicht möglich) in der Christus-Kirche getroffen, um in Bochum ein Bürger*innen-Begehren für ein fahrradfreundliches Bochum – den Radentscheid – auf den Weg zu bringen. Es herrschte Aufbruchsstimmung, viele Anwesende meldeten sich spontan, um in verschiedenen Arbeitsgruppen mitzuarbeiten. Trotz des Lockdowns blieb das große Engagement. Zeitweise mehr als 40 Leute nahmen per Videokonferenz an den monatlichen Treffen zum Radentscheid teil und ein Forderungstext wurde verabschiedet (siehe Kasten).

Während wir nun Unterstützer*innen für den Radentscheid suchen, führt die Stadtverwaltung die rechtliche vorgeschriebene Kostenschätzung für die mit den Forderungen verbundenen Maßnahmen durch, da jedem Unterzeichnenden bekannt sein muss, welche Kosten bei Umsetzung der Forderungen auf die Stadt zukommen. Läuft alles glatt, können wir im Frühjahr beginnen Unterschriften zu sammeln. Damit sich der Rat der Stadt Bochum mit unseren Forderungen beschäftigt, werden in einem ersten Schritt im Rahmen eines Bürger*innen-Begehrens rund 12.000 Unterschriften von Bochumer Bürger*innen benötigt.

Kommt der Rat zum Schluss, dass das Bürger*innen-Begehren aus formalen Gründen unzulässig ist, muss er dies begründen. Ist dies jedoch nicht der Fall, dann muss der Rat beschließen: „Das Bürgerbegehren ist zulässig“. Nun muss sich der Rat positionieren. Hierbei gibt es drei Möglichkeiten:

a) der Rat übernimmt die oben genannten Forderungen 1 zu 1. Ein Bürger*innen-Entscheid (=Radentscheid) ist dann nicht mehr nötig.

b) der Rat einigt sich mit den Bevollmächtigten des Begehrens auf einvernehmliche Regelungen, so dass der Radentscheid überflüssig wird.

c) der Rat setzt einen Termin für einen Bürger*innen-Entscheid (=Radentscheid) fest, der innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden muss.

Findet ein Radentscheid statt, dann haben alle bei einer Kommunalwahl Wahlberechtigten die Möglichkeit, wie bei einer Wahl mit „ja“ oder „nein“ über die Forderungen abzustimmen. Wenn mindestens 10 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgeben und die Hälfte von ihnen die oben genannten Forderungen unterstützt, dann muss die Stadt sie umsetzen. Durchführung und Organisation des Bürger*innen-Entscheids ist Aufgabe der Stadt

Ob es allerdings so weit kommt bleibt abzuwarten. In anderen Städten, z.B. Essen, Bielefeld, Aachen oder Marl hat der Rat er Stadt den Forderungen der Radaktivist*innen jeweils zugestimmt. In Bochum steht die rot-grüne Koalition zwar laut Koalitionsvertrag dem Thema Radfahren bzw. Ausbau der Radinfrastruktur – sehr offen gegenüber, u.a. wird im Koalitionsvertrag angekündigt, in Bochum bis zum Ende der Legislaturperiode etwa 100 km Radweg bauen zu wollen. Für 2021 sind allerdings laut Stadt bisher nur etwa 4 km Radweg geplant. Ein Radentscheid, der den politisch Verantwortlichen Druck macht – bleibt also richtig und wichtig!

Damit der Radentscheid gelingt, brauchen wir viel Unterstützung: Ab sofort sucht der Radentscheid Unterstützer*innen, die beim Sammeln von Unterschriften helfen, Organisationen, Promis und Gruppen nach ihrer Unterstützung fragen und Geld spenden könnten (ein Konto für Spenden wird in Kürze bekannt gegeben). Wenn ihr dabei helfen könnt, meldet euch beim Radentscheid-Bochum@zeromail.org

Nächstes Treffen für den Radentscheid ist am 24.2. um 19 Uhr natürlich wieder online bzw. als Videokonferenz. Alle Freund*innen des Rades sind herzlich willkommen! Um dabei zu sein, müsst ihr eine kurze Mail an Radentscheid-Bochum@zeromail.org senden, dann bekommt ihr spätestens am Tag des Treffens die Zugangsdaten.

Dominik Bald

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Forderungen für einen Radentscheid in Bochum

1.) Infrastruktur für den Alltagsradverkehr ausbauen
Auf allen Radialen und dem Ring werden beidseitig und in voller Länge bis 202X Radwege nach den unter 3.) genannten Grundsätzen gebaut bzw. saniert. Bei vorhandener zweispuriger Straßenführung wird eine Spur zum Radweg. Auf allen Hellwegen und Hauptverkehrsachsen werden bis 2030 Radwege nach den gleichen Kriterien gebaut bzw. saniert.


2.) Kreuzungen sicher umbauen 
ab 2022 werden jährlich 3 Kreuzungen im Radhauptrouten- und Ergänzungsnetz mit Priorität auf Sicherheit und zügiges Vorankommen für Fuß- und Radverkehr nach folgenden Grundprinzipien umgebaut: Radfahrende sind im Sichtfeld des Kfz zu führen und erhalten Wartezonen im vorgelagerten Sichtbereich. Die Abbiegegeschwindigkeit der Kfz wird durch den Abbiegewinkel verringert, z. B. durch Schutzinseln oder Rückbau/Anpassung von „freien“ Rechtsabbiegefahrstreifen für Kfz. Die Signalisierung minimiert Wartezeiten für den Radverkehr und räumt diesem Vorrang ein, abgesetzte Radverkehrsfurten werden durch eigene Ampelphasen gesichert. Umbaupriorität haben Kreuzungen mit besonderem Gefährdungspotenzial.


3.) Aktuelle technische Entwicklungen bei der Planung und dem Bau von Radverkehrsanlagen berücksichtigen
Der Bau sowie die Modernisierung der Radwege erfolgt auf Grundlage der neuesten Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Neue bzw. zu sanierende Radwege sind grundsätzlich von Gehwegen baulich getrennt. Die Breite von Radwegen beträgt auf Radschnellverbindungen 3,0 m, Radhauptverbindungen 2,50 m und im Basisnetz 2,0 m. Radverkehrsanlagen werden vor Befahren, Halten und Parken durch Kfz geschützt, z. B. durch Borde oder Markierungsnägel, und sind vom Fußverkehr getrennt.


4.) Zusätzliche Fahrradstellplätze und Servicestationen ausbauen
In Bochum wird in zentraler Lage in der Nähe des Hauptbahnhofs ein Fahrradparkhaus mit einer Stellfläche für mindestens 4.000 Fahrräder gebaut. Zusätzlich werden 2.000 überdachte und beleuchtete Stellplätze an zentralen Haltestellen und Veranstaltungsorten sowie 4.000 Stellplätze an Schulen, Sportstätten, in Einkaufsstraßen und Wohnquartieren eingerichtet. In allen Wohnquartieren werden über die Stadt verteilt 300 Stellplätze mit Ladevorrichtung für Lastenräder gebaut. 

5.) Information und Beteiligung der Öffentlichkeit
Die Stadt Bochum informiert einmal pro Jahr in einer öffentlichen Veranstaltung zum Stand der Umsetzung der durchgeführten Maßnahmen. Die Maßnahmen werden ebenfalls in einem der Öffentlichkeit zugänglichen jährlichen schriftlichen Bericht ausführlich erläutert.

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